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Bollhagen und Bauhaus Zwei untrennbare Begriffe

HB wäre als freidenkende und emanzipierte junge Frau vermutlich nicht lange am Bauhaus geblieben. Dennoch hatte sie durch Bogler und Burri früh den Bauhausgedanken verinnerlichen können.

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Hedwig Bollhagens Verständnis für Form und Dekor

entwickelte sich zu einer Zeit in der der Bauhausgedanke unter Gestaltern jedweder Art vorherrschte: Keine Form ohne Funktion. Das Dekor dient hebt die Form. Das Objekt soll interessant aber keinesfalls kitschig sein und dabei für jedermann erschwinglich bleiben.

Diese Prinzipien, für die Sie sich sehr früh entschied, sowie die glücklichen Umstände mit drei großen Gestaltern Bogler, Burri und Crodel zusammen zu arbeiten, verhalfen ihr zu einer unverwechselbaren Handschrift, die sie über alle Moden der Zeit erhaben erscheinen ließ. Noch heute lässt sich der unmittelbare Einfluss der Bauhäusler in einigen ihren Entwürfen erkennen. So entwickelte sie eine Obstschale, deren Vorbild Bogler in den 20 er Jahren entwarf. HB erweiterte diese durch ein Sieb in der Schalenmitte und schuf damit ein Meisterwerk, das Form und Funktion mit Eleganz verbindet und sein Vorbild dabei übertrifft.

Die Keramikerin Hedwig Bollhagen über sich selbst

Im Jahre 1907 bin ich in Hannover geboren. Leider verlor ich meinen Vater schon, als ich drei Jahre alt war. Trotz des traurigen Schicksals gelang es meiner Mutter, meinen beiden Brüdern und mir eine sehr glückliche Kindheit zu bereiten. Wir spielten in einem schönen alten Garten, wo wir bastelten, Feste feierten und ohne Publikum allerlei Aufführungen machten. - Wohl war uns bewusst, dass zu derselben Zeit, in der wir so ungestört spielen durften, der schreckliche Krieg tobte, aber wir waren noch zu klein, um das tragische Geschehen wirklich ermessen zu können, wenn wir auch die Schatten, die die Kriegsereignisse warfen, empfanden. Die materiellen Entbehrungen, die sich ja wesentlich auch auf die Nachkriegszeiten erstreckten, waren für uns, die wir kaum Vergleiche ziehen konnten, eigentlich ein Normalzustand.


Unsere Mutter hatte viele geistige Interessen und versuchte auch in uns die Freuden daran zu wecken. Sie las uns oft vor, sah mit uns Bilder an und zeigte uns schöne Bauten, musizierte mit uns und bemühte sich, unser Gefühl für Qualität zu entwickeln und uns zu lehren, das Echte vom Unwahren zu unterscheiden. (Das Wort "Kitsch" gehörte schon früh in unsere Kindersprache und war uns ein sehr präziser Begriff.) In einem Nachkriegswinter, in dem Kohlenferien und Grippeferien sich abwechselten, worüber wir natürlich nicht traurig waren, wurde für einige befreundete Kinder und uns ein Kursus für Zeichnen, Basteln und Kunstbetrachtung von der sehr lebendigen Töpferin Gertrud Kraut eingerichtet, der späteren Begründerin der Hamelner Töpferei. In ihrer Begeisterung für die Töpferei, ihrer menschlichen Güte und Aufgeschlossenheit und heiteren Selbstbeherrschung ist mir Gertrud Kraut bis heute Beispiel und Vorbild.

Ich hatte damals schon längst eine besondere Vorliebe für Töpferwaren, sammelte kleines Puppengeschirr aus Bauerntöpfereien, das es im nahen Hildesheim zu kaufen gab, und ging mit Begeisterung auf den sogenannten Pottmarkt an der Hannoverschen Marktkirche, wo braune Bunzlauer und blau bemalte Westerwälder Töpfe in Mengen herumstanden. - So regte mich mein erster Besuch in der Töpferei von Gertrud Kraut in Hameln sehr auf, und obgleich ich noch viel Zeit hatte, über alle die Berufe, die zu ergreifen mich reizten, nachzudenken, stellte ich das Töpfern sogleich zur "engeren Wahl" und bin dann also dabei geblieben. Eine Stelle als Lehrling oder Volontär in einer Töpferei zu bekommen, war in der Zeit, in der sich Industrie und Handwerk von den Wirkungen des Krieges und den darauffolgenden Jahren noch nicht erholt hatten, sehr schwer.

Ich fand die Möglichkeit, eine Zeitlang in einer kleinen Bauerntöpferei in Großaimerode in Hessen zu arbeiten und machte dort meine ersten Drehversuche - mit Seufzern, die mir jeder Töpfer nachfühlen wird -, war aber sonst guter Dinge in dem mir so neuen Metier. Man töpferte Geschirr für den Dorfgebrauch und, um eine regelmäßige Pfründe zu haben, handgedrehte (!) Salbentöpfe für einen Großhändler, der Apotheken belieferte und nur sehr geringe Preise zahlte. Es wurde sehr fleißig gearbeitet, und zwar ausschließlich von der Familie des Töpfermeisters, der mit seinem Sohn das Freidrehen verrichtete und von seinen fünf Töchtern alle übrigen Arbeiten machen ließ. Bei intensiver Zusammenarbeit konnte etwa alle Vierteljahre der Kasseler Ofen gebrannt werden, und der Ausfall des Brandes und die Verkaufsmöglichkeit der Ware bestimmten den Lebensstandard der Familie für die nächste Zeit. Wenn ich mich tagsüber nach Meinung des Meisters genug mit Drehversuchen abgequält hatte, durfte ich mich nach 5 Uhr mit dem Malhörnchen befassen und nach meinem Belieben Teller und Schüsseln mit Engobe bemalen, ich bekam nebenbei den ersten Begriff vom "zweckmäßigen Arbeitssitz und Arbeitstisch", denn der Meister fügte mir aus Schemeln, Kisten und Brettern einen Aufbau zusammen, der an Bequemlichkeit und sinnreicher Anpassung nichts zu wünschen übrig ließ. Jeden Sonnabendnachmittag kam der Barbier, und der Meister, der sehr klein war, setzte sich auf den Drehscheibenkopf und wurde unter leichten Hin- und Herbewegungen der Drehscheiben für den Sonntag rasiert. Sonntags stellte die Familie sieben Singstimmen und einen Trompetenbläser für den Kirchenchor.

Freundliche Verwandte in Kassel taten mich für einige Wintermonate als Gastschülerin auf die dortige Akademie. Ich mühte mich ein paar Wochen in der Bildhauerklasse, die Professor Vocke leitete, der gerade versuchte, auch eine Töpferei einzurichten. Ihn interessierten damals gerade Kannen mit Metallschnaupen. Seine Schüler waren fast ausschließlich Kriegsteilnehmer, die entweder aus der Bahn geworfen oder noch nie im Geleise gewesen waren. Ich glaube, daß nur wenige davon künstlerische verwendet, die Bildhauer arbeiteten in der Stadthalle mit Feuerwehrleitern an einem Riesenmars, einem damals beliebten Thema, das auf den wohl gerade erdnahen Stern bezogen wurde. In unserem Falle aber ließ man Mars als Gott, der Kriegsruhe gedenkend, auf einer Trommel sitzen, ich durfte an diesem Gefahren bietenden Mammutwerk, da ich das einzige Mädchen der Klasse war, nicht teilnehmen. So hatte ich wenig Gelegenheit zum Lernen, weil ich viel zu unselbständig war, auf eigene Faust in den ausgestorbenen Klassenräumen etwas zu probieren. Ich nahm am Aktzeichnen und an Kunstgeschichts-Vorlesungen, soweit sie nicht auch ausfielen, teil und hatte Zeit, die sehr schönen Kasseler Sammlungen in Galerie und Museum anzusehen.

Nach diesen etwas programmlosen Wochen, die mich bedrückten, zog ich 1925 mit wahrer Begeisterung nach Höhr im Westerwald ins Kannenbecker Land, wo ich in der Keramischen Fachschule unter Dr. Berdel und Dr. Bollenbach meine theoretische Ausbildung erhielt. Die Schule, die heute wohl die modernste und vielseitigste keramische Fachschule Deutschlands ist, war schon damals in ihren chemischen und technischen Abteilungen recht gut, aber, im Gegensatz zu heute, in den sogenannten "künstlerischen" Fächern wie Modellieren und Malen derartig undiskutabel, daß man sich so wenig wie nur irgendmöglich in diesen wirklich verderblichen Klassen aufhielt, in denen heute zum Teil ausgezeichnete Kräfte lehren. Nach Absolvierung von fünf Fachschul-Semestern und Ferien-Volontärzeiten in einem kleinen Industriebetrieb und in der Töpferei von Gertrud Kraut in Hameln, hatte ich am Ende meiner Fachschulzeit etwa die Kenntnisse, die eine Laborantin als Anfängerin in einen keramischen Betrieb mitzubringen hat.

Obgleich ich sehr gern Gebrauchsgeschirr machen wollte, war ich nicht dazu gekommen, mich hierin zu üben, da, wie gesagt, das Schulniveau in diesen Fächern unbefriedigend war. Ich hatte das Glück, direkt nach meiner Fachschulzeit 1927 in die Steingutfabrik Velten-Vordamm von Dr. Harkort eintreten zu können und eine Tätigkeit zu beginnen, die für meine ganze Arbeit bis zum heutigen Tage bestimmend war. Durch die intensive Schaffensfreude Dr. Harkorts, seine. große Liebe zur Keramik, seinen vorurteilslosen Optimismus und sein Wissen war die Fabrik sicher einer der lebendigsten, vielseitigsten und interessantesten deutschen keramischen Betriebe seiner Zeit. Man machte Gebrauchsgeschirr aus Steingut und Fayence, Garten- und Baukeramik, Stapelware für den Export und Einzelstücke von Bildhauern und Malern. Ich verdanke dem Vertrauen und der Geduld Dr. Harkorts sehr viel, der mich als Leiterin der Malereiabteilung, die damals 100 Malmädchen beschäftigte, und als Entwerferin einstellte, trotzdem er wußte, daß ich bisher in diesen Dingen nicht ausgebildet, aber, wie er hoffte, auch nicht verbildet war. Ich brachte zu dieser Tätigkeit, die ich in Höhr nicht geübt hatte, nichts mit als große Lust, denn es fehlte mir jede praktische und menschliche Erfahrung im Betrieb. Die Volontärzeiten fielen wenig ins Gewicht.

Das Steingut mit seiner reichen Unterglasurpalette und die Fayencetechnik mit der schönen Weichheit der Pinselstriche waren in Velten-Vordamm durch die unbeschreiblich begabte Charlotte Hartmann noch einmal zu ihrer wahren Geltung gekommen. Die Fülle ihrer Ideen und die wirklich geniale Fähigkeit, traditionelle Formen und Dekors aufzugreifen und in neuer Frische hervorzubringen, mußten den ernstesten Dekorgegner entwaffnen. Eine ganze Reihe von Künstlern wurde von Dr. Harkort herangezogen: Gerhard Marks hat sich verschiedentlich in dem Werk mit Plastiken und Malereien beschäftigt, zwei seiner Schüler aus der Dornburger Bauhaustöpferei, Theodor Bogler und der Schweizer Werner Burri, arbeiteten Jahrelang für die Fabrik, sowohl Einzelstücke als auch Serienentwürfe. Charles Crodel malte dort seine ersten keramischen Kamine und Platten, ich war glücklich, viele dieser schöpferischen und eigenwilligen Menschen kennenzulernen, mir Maßstäbe zu bilden und zu versuchen, mich danach auszurichten. Ich bemühte mich, die Maltechnik der Steingut- und Fayence-Produktion zu üben, und mit der allmählich entstehenden Routine, den Pinsel zu gebrauchen, gelangen mir einige Dekors geometrischer Grundelemente, aus den Vokabeln zusammengesetzt, die den Malereiarbeiterinnen geläufig waren. Es interessierte mich sehr, Gebrauchsgeschirr zu machen, das billig in den Handel kommen konnte und dadurch dem Käufer die Möglichkeit bot, von den wirklich sehr geschmacklosen, verlogenen Geschirren, die die Porzellan- und Steingutindustrie auf den Markt brachte, abzurücken. Ich malte auch Einzelstücke, modellierte, drehte und entwarf Serienformen. Es entstanden manche Dinge, die mich verlegen machen, wenn ich heute an sie denke, aber ich habe an allem gelernt. - Vervielfältigungsverfahren in der Dekorierung, z. B. Schablone und Abziehbild, beschäftigten mich ernst in der Überlegung, dass diese Techniken, sofern eine ihnen gemäße Form zu finden wäre, die nicht darauf aus ist, Handarbeit vorzutäuschen, durchaus ihre Berechtigung haben. Bei all der Vielfalt der Verzierungsmöglichkeiten wuchs meine Vorliebe für weißes, undekoriertes Fayencegeschirr, bei dem der rosa Scherben durch die weißdeckende Zinnglasur wie durch eine Haut hindurch scheint. Für diese Dinge, die auch Dr. Harkort sehr schätzte, wurde damals leider von der Einkäuferschaft nicht viel Interesse aufgebracht. Erst als ich später meine eigene Werkstatt hatte, riskierte ich den Versuch, fayenceweiße, unbemalte Geschirre und Gefäße in größeren Mengen herzustellen, und es glückte mir, sie mit Erfolg anzubieten. Da ich mich schon in der Steingutfabrik Velten-Vordamm für den gesamten Ablauf der Herstellung sehr interessierte, befasste ich mich auch mit organisatorischen Arbeiten, insbesondere mit Arbeitszeit-Studien zur Akkordpreisbildung und bemühte mich, auf diesem Gebiet um die Auffindung einer gesunden Basis. Normen festzustellen. Aus wirtschaftlichen Gründen musste das Werk auch Stapelware für den Export herstellen, wobei die Wünsche der Kunden berücksichtigt werden sollten. Dieses war meist nur mit Kompromissen zu lösen, in der Bemühung, das kleinste Übel herauszufinden, wenn beispielsweise eine Konservenbüchsenmanschette vom Auslandskunden eingeschickt wurde, deren Pfirsich-Darstellung auf Kompottschüsseln übertragen werden sollte, die zu Tausenden bestellt wurden. Als 1931 die Zollschranken, die um die interessierten Länder gelegt wurden, den Export schlagartig unmöglich machten, musste die Steingutfabrik Velten-Vordamm, wie so viele andere Werke, leider ihre Pforten schließen und einer der in der keramischen Entwicklung als Kulturträger so wichtigen Betriebe ging verloren.

Im Stillen den Wunsch nach einer eigenen Werkstatt hegend, ging ich auf die Wanderschaft, um möglichst viele Betriebe kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Ich arbeitete zunächst in der Majolika-Manufaktur Karlsruhe. Ihr standen vielseitige Techniken und Möglichkeiten zu Gebote, unter der damals noch nicht so fernen Wirkung Leäugers, der allerdings schon eine Zeitlang nicht mehr direkt mit der Manufaktur zusammenarbeitete, und es fehlte dadurch leider dort eine aktive Persönlichkeit, die, wie in Velten Dr. Harkort, so bestimmend, produktiv und anregend auf die Mitarbeiter wirkte. Ich arbeitete dann kurze Zeit in einem Werk von Rosenthal in Neustadt bei Coburg, wo wenig erfreuliche Dinge fabriziert wurden, und einen schönen Ski-Winter lang in Partenkirchen, in der Werkstatt von Wilhelm Kagel.

Ich lernte durch gute und noch mehr durch schlechte Beispiele zu werten. Die Begegnung mit menschlicher Qualität und Schwäche im umgekehrten Verhältnis zu Güte und Mangelhaftigkeit der Produktion erstaunte mich oft. Die nettesten Menschen sah ich scheußliche Dinge fabrizieren und schlechten die schönsten Stücke gelingen. Auch sah ich mit den besten Produktionsmitteln Schlechtes entstehen und in primitiven Verhältnissen Gutes gestaltet. Eine Zeit, die ganz aus den Rahmen meiner bisherigen Tätigkeit fiel, verbrachte ich während eines reichlichen halben Jahres in einer Verkaufsausstellung handwerklich und industriell hergestellten Gebrauchsgutes - Möbel, Stoffe, Schmuck und Silber -, die Tilly Prill-Schloemann in Berlin ins Leben rief und mehrere Jahre als eigenes Unternehmen fortführte. Die Räume mit den vielen Schaufenstern, direkt zur Zooseite und zur Budapester Straße, waren ein außergewöhnlich guter Rahmen für das Gezeigte und unterschieden sich auffallend von fragwürdigen Kunstgewerbegeschäften. Ich hatte Gelegenheit, Material- und Qualitätsgefühl und Kenntnisse zu erwerben. Auch war es sehr amüsant, aus der gegebenen Perspektive das Geboren und die Psychologie des Kunden zu beobachten. Ich hatte viele schöne Keramiken, z. B. von Leäuger, von Dreßler, Douglas-Hill, Margrit Friedländer, Lindig und anderen zu betreuen und zu verkaufen. Meinem eigentlichen Ziele nachgehend, wandte ich mich aber bald wieder der Töpferei zu und nahm die erste Stelle, die sich mir bot, in Frechen bei Köln an, einem Ort, wo einst schönstes rheinisches Steinzeug gemacht wurde. Nun fabrizierte man in riesengroßen Salzöfen Röhren in allen möglichen Abmessungen mit schöner brauner Salzglasur. Außerdem wurde in der Herstellung von sogenannter "Kunstkeramik"und Devotionalien, die in niedrig brennenden Ofen gebrannt wurden, gesündigt. Es gab die verschiedensten Heiligen in allen Größen und kitschigster Gestaltung in erheblichen Auflagen, was die ganze Abwegigkeit dieser Art der Produktion "religiöser Bedarfsartikel" klarmachte. Es ist nicht zu übersehen, daß in vielen Gegenden tatsächlich ein echter Bedarf für diese Dinge besteht, und es ist zweifellos sehr schwer, gute oder wenigstens tragbare Formen dafür zu finden. Einige literarische Arbeiten über Symbole und ihre Zeichen scheinen mir noch am ehesten solche Wege zu zeigen. Meine Tätigkeit in dem Betrieb beschränkte sich zunächst auf Dekorentwürfe und ihre Anwendung, später wurde ich Betriebsassistentin und habe viel über die technischen Zusammenhänge des Produktionsablaufes gelernt.

Im Streben, nun bald selbständig zu töpfern, streckte ich meine Fühler aus, um eine geeignete Möglichkeit zu finden. Es wurde in der Nähe Berlins eine kleine, nicht mehr in Betrieb befindliche Töpferei zum Verkauf bzw. zur Pacht angeboten, die früher schöne wertvolle Einzelstücke gemacht hatte. Alle Betriebsmittel, bis auf eine Muffel, waren jedoch bereits entfernt worden. Außerdem sollte ein ziemlich großer, ebenfalls seit einem Jahr stilliegender keramischer Betrieb, der früher etwa 60-80 Arbeiter beschäftigte, verkauft werden, und zwar in Marwitz bei Velten, dem keramischen Klima, das mir früher schon so gut getan hatte. Er bot mir die verlockende Aussicht, mein Programm "Gebrauchsgeschirr" durchzuführen. Allein wagte ich einen Start nicht, denn ich hatte gerade so viel gelernt, daß ich einigermaßen beurteilen konnte, was ich nicht wußte. Das Wissen um geringe Kenntnisse in einem vielseitigen Gebiet steigert sich ja unaufhörlich in dem Maße, in dem man Einblick darin bekommt, und ist dem Fortgeschrittenen bewußter als dem Anfänger. Ich stand nun vor dem Scheidewege und bekam von Freunden und Verwandten viele gute Ratschläge, doch ja nicht ein so großes anspruchsvolles Unternehmen, wie Marwitz es sein würde, zu riskieren, sondern lieber im kleinen Rahmen zu bleiben. Ich selbst komme aber nach vielen Überlegungen immer wieder zu der Ansicht, dass in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit wie damals der Verkauf von serienmäßig hergestellter preiswerter Gebrauchskeramik, die mir vorschwebte, leichter sei, als für teure Einzelstücke Liebhaber zu finden, die Geld hatten, solche zu kaufen. Auch fühlte ich mich handwerklich nicht sicher genug, in einer kleinen Werkstatt, die eventuell als Ein-Mann-Betrieb begonnen werden musste, zu bestehen, da ich doch in den vorherigen Jahren hauptsächlich in Industriebetrieben gearbeitet hatte, wo ich zwar zum Malen, aber verhältnismäßig wenig zum Drehen gekommen war.

In Marwitz zeigten sich für mich günstige Arbeitsmöglichkeiten. Erstens erbot sich Dr. Heinrich Schild, in seinem Hauptberuf Volkswirt und Handwerkspolitiker, mir als Teilhaber zu helfen und alle finanztechnischen, juristischen und kaufmännischen Funktionen zu übernehmen, die zur Gründung und Fortführung eines solchen Betriebes nötig sind. Zweitens stand der alte erfahrene Velten-Vordammer Betriebsleiter Wojak zur Verfügung, der bereits auch in Marwitz eine Zeitlang die technische Führung gehabt hatte. So fand ich unter diesen Voraussetzungen den Mut zu beginnen. Wir nannten die Firma "HB-Werkstätten für Keramik", da ich meine Arbeiten schon früher mit "HB" bezeichnet hatte. Der Marwitzer Betrieb hatte sich "Hael-Werkstätten für künstlerische Keramik" genannt. Wesentlich war für mich, dass auch einige Dreher und mehrere der besten Steingut- und Fayence-Malerinnen der früheren Steingutfabrik Velten-Vordamm bereit waren, in der neuen Firma mitzuarbeiten.

Am 1. Mai 1934 fing ich mit der Arbeit in Marwitz an. Ich beeilte mich zunächst, die noch vorhandenen Stücke aus der früheren Kollektion der Hael-Werkstätten, die mir größtenteils missfielen, aus der Produktion verschwinden zu lassen. Einige gute Formen übernahm ich, weil ich es schade fand, die Arbeitseinrichtungen für solche Dinge zu vernichten. Auch ließ ich verschiedene Velten-Vordammer Dekors, besonders ein sehr bekanntes reiches Muster von Charlotte Hartmann, dass die Malmädchen noch auswendig konnten, wieder aufleben. Dr. Schild machte es Vergnügen, den kaufmännischen Apparat einzurichten und zu überwachen. Seine Liebe zum Handwerk, seine Sicherheit und seine Aufbaufreude, der Mut zu riskieren, ohne leichtfertig zu sein und seine Konsequenz schufen mir die Voraussetzungen, mich ganz auf die Produktion konzentrieren zu können.

Auf der Leipziger Herbstmesse 1934 stellte ich zum ersten Mal mit ganz gutem Erfolg eine ziemlich große Auswahl an Gebrauchsformen und Dekors aus. Es war mein Bestreben, keine modischen Schlager sondern einfache, zeitlose Dinge zu machen. Diese Bemühung fand insofern ihre Bestätigung, als der größte Teil der damals herausgebrachten Modelle auch heute noch in der Fabrikation ist und in Ost- und Westdeutschland verkauft wird. Die Entwicklung des Betriebes und seine wirtschaftliche Festigung ging allerdings langsamer voran, als ich gehofft hatte, und erforderte wirklich sehr intensive vielseitige Arbeit und Entsagung. Aber in der Keramik liegen ja so viele Freudenquellen, aus denen man Kraft schöpfen kann, und spannende Augenblicke voller Erwartung, wie sie zum Beispiel immer wieder beim Ofen ausnehmen da sind, daß man niemals gelangweilt sein kann und für seinen Einsatz entschädigt wird. Um als Handwerksbetrieb bestehen zu können, machte ich meine Gesellen- und später meine Meisterprüfung von Marwitz aus. Die Freude an einer vielseitigen Produktion, die ich in Velten-Vordamm kennengelernt hatte, veranlaßte mich, den früheren Mitarbeitern aus Velten-Vordamm, den handwerklich so außerordentlich geschickten, produktiven und zeichnerisch sehr begabten Werner Burri um seine freie Mitarbeit zu bitten. Er schuf viele Einzelstücke, die er alle selbst drehte und malte, machte aber auch viele Entwürfe für Serienanfertigungen. Zu meiner allergrößten Freude fand sich auch Charles Crodel bereit mitzuarbeiten. Wir versuchten zusammen alle möglichen keramischen Techniken: Fayence- und Unterglasurmalerei, Goldmalerei, Ritz-Technik, Plastiken, Stempelreliefs, Gipsschnitte, und probierten Baukeramik und Gartenkeramik. Die reichen Ideen, das wirkliche Künstlertum und die heitere Sicherheit, mit denen Crodel zu arbeiten und zu überzeugen versteht, haben viele gute Architekten veranlaßt, mit Freuden Crodelsche Baukeramikentwürfe bei uns ausführen zu lassen. Es gibt keine konkrete Aufgabe, die Crodel, sofern es seine Zeit erlaubt, nicht mit Interesse und Freude aufgreift und künstlerisch löst. Seine Fähigkeit, intensiv zu sehen und im Kopf zu registrieren, und sein großes Wissen schaffen den Grund, auf dem seine Entwürfe wachsen, die immer einen geistigen Gehalt haben, ohne jedoch im schlechten Sinne literarisch zu sein. Durch Crodel erhielt ich Maße und Gewichte, zu werten und zu ordnen. Ich versuche, sie richtig anzuwenden und habe Freude daran. Um den technischen Apparat und die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, großformige Arbeiten probieren zu können, war es nötig, die laufende Serienproduktion im gesunden Gang zu halten und alle Auftragsmöglichkeiten zu ergreifen. So entwickelten sich auch einige ganz gute Exportverbindungen, die aber mit Kriegsbeginn sofort abbrachen. Um den Betrieb während des Krieges aufrechterhalten zu können, mußten wir uns auf vorgeschriebene Fabrikationsprogramme umstellen. Wir machten Gehäuse für elektrische Zimmerheizöfen, Terrinen und Eßschüsseln, daneben jedoch immer noch mancherlei Einzelstücke. Das Kriegsende mit den Kampfhandlungen und ihren so unsagbar deprimierenden Begleiterscheinungen ließ die Werkstatt, die, obgleich sie verschiedene Treffer bekam, immer wieder als Massenquartier benutzt wurde, in unbeschreiblicher Unordnung zurück.

Aber allmählich fing der Betrieb an, wieder ein wenig "durchzugrünen".

Leider ergaben die Verhältnisse, daß Dr. Schild, der schon vor Kriegsende nach Westdeutschland übergesiedelt war, sich nicht mehr maßgebend um den Betrieb kümmern konnte und deshalb zu meinem größten Bedauern als Teilhaber ausschied. Wie schwer es dann war, bei großem Material-, Hilfsstoff- und Ersatzteilmangel sich immer wieder nach der Decke strecken zu müssen, weiß jeder, der in irgendeiner Produktionsstätte gewirkt hat. Ich habe gelernt, mich weitestgehend danach zu strecken und mit den vorhandenen Möglichkeiten weiterzuarbeiten. Es sind wieder schöne Crodelsche Dinge entstanden.

Baukeramisch habe ich mich an umfangreiche Objekte gewagt und nach Entwürfen von Waldemar Grzimek große Reliefplatten und Bauelemente gemacht. Hier hoffe ich noch auf Weiterführung der begonnenen Versuche. Es macht mir Freude, auch einige jüngere Künstler zur Mitarbeit heranzuziehen oder ihnen Gelegenheit zu geben, keramisch zu wirken. So hat die junge Erika Manthey eine ganze Reihe Einzelstücke und auch gemalte Baukeramik in meiner Werkstatt hergestellt, und der sehr einfallsreiche junge Bildhauer Jürgen von Woyski versucht sich hier gelegentlich keramisch.

So gern ich mich bemühe, im Zusammenwirken mit Anderen Arbeiten auszuführen, die es mir wert scheinen, so ungern mag ich als eine "Anstalt" angesehen werden, die alle baukeramischen Objekte, die ihrer technischen Kapazität entsprechen, herzustellen hat, ohne ihre eigene Meinung über die Qualität des Entwurfes entscheiden lassen zu dürfen. In meinen Entwürfen für Formen von Gefäßen versuche ich, immer sparsamere Mittel anzuwenden. Ich bemühe mich, der "Form ohne Ornament" die Ehre zu geben, die ihr gebührt, riskiere aber auch, Formen zu probieren, die durch einen Dekor gesteigert und bereichert werden wollen. Die Anstrengung führt zwar nur selten zum Erfolg, und wenn man durch alle die scheußlichen Dekors der keramischen Industrie und des Handwerks geneigt sein mag, den Dekor schlechthin zu verwünschen, so steht dem-gegenüber die Forderung nach dieser Art des Spiels von Menschen aller Zeiten und aller Erdteile in zahllosen Beispielen vor uns. Die Aufgaben, die eine verhältnismäßig große Werkstatt, wie die meine es ist, stellt, sind so vielseitig, daß man alle Kräfte aufbieten muß, ihnen wenigstens einigermaßen gerecht zu werden. Das Thema, nämlich Dinge herzustellen, die erfreuen, sollte jedoch eigentlich einen allzu bitteren Ernst in der Kraftanwendung ausschließen. Das Anliegen, sich dabei menschlich zu bewähren in einem Kreis von über-60 Mitarbeitern, bleibt bei allem das Dringendste aber auch das Schwerste. Der Wille, sich in die Lage seines Nächsten zu versetzen und von seinem Standpunkt aus zu fühlen, erleichtert es, ihn zu lieben, und täglich tritt diese Forderung im Zusammenwirken mit einem großen Menschenkreis an jeden heran. So verlockend auch die weiten Gebiete meines Handwerks sind, so wichtig finde ich es, sich seiner eigenen Grenzen darin bewußt zu sein. Dies muß nicht dahin führen, daß die Arbeiten einseitig und manieriert werden. Das Wagnis, in leichtfertigem Optimismus Aufgaben zu übernehmen, zu denen die Kapazität nicht ausreicht, führt unweigerlich auf Abwege. Ich glaube, die vielen Möglichkeiten, sein eigenes Feld zu bestellen, führen an den Versuchungen vorbei, sich an Aufgaben zu wagen, denen man nicht gewachsen ist.

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